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Radunfall"Sturz über den Lenker" wegen blockierender Vorderradbremse /02a |
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Synopse | ohne Java: | Synopse |
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Die Reibung des Reifens auf dem Untergrund hängt von dessen Beschaffenheit ab. Bei Blockieren der Vorderradbremse kann man zwei Fälle unterscheiden:
Fall A: Der Reifen haftet nicht mehr, er rutscht. Beispiele: Sandiger oder schmieriger Feldweg, Schnee, Eis, nasses Eis, ...
Fall B: Der Reifen haftet fest, er rutscht nicht. Beispiele: Trockener Asphalt, (sauberer) Beton, nasser Asphalt, ...
Fall A: Durch die Ausgleichsbewegungen des Körpers neigt sich das Rad nach einiger Zeit und der Reifen rutscht zur Seite weg. Da man das Rutschen hört und fühlt, kann man in der Zeit, in der man gerade bleibt, eventuell die Bremse wieder lockern. Falls es doch zum Sturz kommt, kippt man normalerweise zur Seite und fällt nicht aufs Gesicht.
Fall B-a: Bei einer Geschwindigkeit von 6 bis 11 km/h steigt der Fahrer 10 bis 40 cm in die Höhe. Je nach Fahrkönnen fällt er dann wieder auf den Sattel zurück oder auf die Straße.Das hier gezeigte Modell soll die Gesetzmäßigkeiten erläutern. Trotz einiger Vereinfachungen entsprechen die Ergebnisse recht gut den praktischen Versuchen.
Zur einfacheren Erklärung werden nur die Geradeausfahrt und der Fall des sofort blockierten Vorderrads beschrieben ==> 2.5. Bremsen, Blockieren und Überbremsen und ==> 2.6. Übergang vom Überbremsen zum Blockieren. Das ist der Fall, wenn die aktuelle Bremskraft BK deutlich größer ist als die Grenz-Bremskraft Bb (etwa doppelt so groß).
![]() Bild 231: Physik "Sturz über den Lenker" |
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Wenn der Fahrer schlagartig bremst (und das VR nicht rutscht), wird die kinetische Energie EK zunächst umgelenkt in einen (in etwa elliptischen) Bogen um den Aufsetzpunkt des VR A (wobei A auf dem Radumfang nach vorne rollt).
Dabei trennen sich Fahrer und Rad (ist ausprobiert / der Schwerpunkt des Fahrrads liegt in etwa 0,4 m Höhe, der des Fahrers bei 1,2 m); deshalb wird das Rad nicht in die Rechnung einbezogen. Der Fahrer wird um b empor gehoben und nimmt dabei die potentielle Energie EP auf
Ist EK größer als EP, so stürzt der Fahrer nach vorn. Meist streckt er die Hände nach vorn, um den Sturz abzufangen. Durch die Ausgleichsbewegungen des Körpers kippt das Rad zur Seite (ausprobiert, wenn auch unfreiwillig
==> 1.1.2. Unfallberichte).
Allerdings gibt es auch Fälle, in denen der Fahrer so überrascht ist, dass er sich am Lenker festhält; dann stürzt er mit dem Rad
==> 1.1.11. Unfallberichte.
Darauf fliegt der Fahrer in einer Parabel auf die Straße.
Anmerkung: Der Kippvorgang beschleunigt sich selbst, denn beim Anheben auf dem Bogen um A wird die Tangente am Kreis immer flacher. Der Kippvorgang braucht umso weniger nach vorn gerichtete Kraft, je weiter fortgeschritten er ist.
2.3.1.2. Berechnung
Interessant ist die Geschwindigkeit, bis zu welcher der Fahrer wieder auf den Sattel zurückfällt, bzw. ab welcher er stürzt. Diese läßt sich durch Gleichsetzen der Energien errechnen.
Nach Umformen der Gleichung kann die Geschwindigkeit v abhängig von der Höhe b errechnet werden.
b [m] | 0,10 | 0,20 | 0,40 |
v [m/s] | 1,40 | 2,00 | 2,80 |
vB [m/s] [km/h] |
1,65 6 |
2,25 8 |
3,05 11 |
L-Nr | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 5a*) | 7 | 8 |
alpha [°] | 29 | 27 | 21 | 25 | 27 | 29 | 32 | 27 | 27 |
b [m] | 0,15 | 0,15 | 0,08 | 0,13 | 0,15 | 0,17 | 0,20 | 0,15 | 0,15 |
2.3.1.3. Praktische Versuche
Gründlich wie ich bin, habe ich die Theorie mit praktischen Versuchen ausprobiert.
6 km/h habe ich gut durchgestanden. Darauf bin ich jeweils 1 km/h schneller geworden. Aber bei 10 km/h musste ich schwer "zaubern", um nicht zu stürzen.
![]() Bild 232: Zeit und Geschwindigkeit |
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Der Fahrer fährt mit der Geschwindigkeit vB. Beim Anziehen der Bremse wird um etwa 1 km/h (= 0,25 m/s) verzögert und der Kippvorgang wird mit der -- etwas geringeren -- Geschwindigkeit VA eingeleitet und der Fahrer auf die Höhe oben hO angehoben. Dabei wird kinetische Energie verbraucht.
Es verbleibt die Geschwindigkeit oben VO. Senkrecht über dem Aufsatzpunkt des Vorderrads -- dem Punkt "of no return" --, fällt der Fahrer aus der Höhe hO zu Boden. Durch die Erdanziehung erfährt er, zusätzlich zu VO, eine Fallgeschwindigkeit VF. VO und VF zusammen ergeben dann die Auftreff-Geschwindigkeit VE, mit welcher der Fahrer auf den Boden stürzt.
Der Gesamtweg lg, den der Fahrer dabei durchläuft, setzt sich aus dem Abstand S bis A, also der Länge l und dem Abrollweg la des Vorderrads beim Hochkippen des Rads um den Kippwinkel alpha zusammen.
Die max. Reaktionszeit tR, in welcher der Fahrer die Bremse noch lösen kann/ könnte, errechnet sich (vereinfacht) aus der mittleren Geschwindigkeit VM zwischen Anfang VA und oben VO, und dem Gesamtweg lg.
Da oben -- am "point of no return" -- auch eine gelöste Bremse den Sturz wegen der kinetischen Energie des Körpers nicht mehr abfangen kann, halte ich nur 2/3 dieser Zeit für eine mögliche Reaktionszeit. Davon ist noch die Verzögerungszeit für das Lösen der Bremse tB abzuziehen.
Die Gesamtzeit tG für den "Flug" vom Sattel bis zum Auftreffen des Fahrers auf dem Boden setzt sich aus zwei Zeiten zusammen: Die Kippzeit tK vom Anfang bis zum "point of no return" und die reine Fallzeit tF aus der Höhe hO.
2.3.2.2. Berechnung
Besonders interessant sind folgende Werte:
Zur einfacheren Berechnung wird hier der ==> Bild 2.4.3.2 Beispiel Durchschnittsradler (L-Nr 5) angenommen: Größe 1,75 m, sportliche Haltung, dank einiger Übung stürzt er erst bei einer Überhöhung von b = 0,20 m. Das Fahrrad ist mit Reifen 622 * 42 (28" * 1,5") ausgerüstet. Damit liegen die Ausgangsgrößen fest.
(3a) EKO = EKA - EP [kg m^2/s^2] (4b) VO = (VA^2 - 2 * g * b) ^0,5 [m/s] (5) hO = h + b = 1,2 + 0,2 = 1,4 [m] (5a) lg = l + la = 0,79 [m] (6a) VA = vB - 0,25 [m/s] (7) VM = (VA + VO) /2 [m/s] (8) VF = (2 * g * hO) ^0,5 [m/s] (9) VE = (VO^2 + VF^2) ^0,5 [m/s] (10) tR = 0,67 * lg / VM - tB [s] (11) tG = tK + tF = = lg / VM + (2 * hO / g) ^0,5 [s] |
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2.3.2.3. Ergebnis
Bremst der Fahrer mit etwa der doppelten Kraft der Grenz-Bremskraft Bb
==> 2.4. Das Bremsen am Vorderrad,
so blockiert das Vorderrad sofort. Für Geschwindigkeiten zu Beginn des Bremsvorgangs zwischen 11 und 31 km/h gilt dann:
Wenn der Fahrer nur wenig stärker bremst als es für die Grenz-Bremskraft Bb nötig ist (F = 1,1 - 1,3), so geht der Kippvorgang wesentlich langsamer vor sich ==> 2.6.4.4. Ergebnisse Überbremsen/ Blockieren.
Kontakt:
Radtipps
Letzte Änderung: 18.04.10
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